stammbaum
unsere beziehungen
ziehen sich
über die erde
über jeden stein
jedes staubkorn
jeden baum
hinterlassen spuren
und abdrücke
ihrer selbst
wie flechten
bedecken sie
die orte
unserer begegnungen
wachsen
langsam
sind genügsam
und älter
als wir selbst
unsere erinnerungen
verfestigen sich
im inneren
unserer körper
verwachsen
verwurzeln
verkrusten
wachsen über uns hinaus
überwinden
die grenzen
des festgelegten
unsere geschichten
verflechten sich
jeden moment
neu
fädeln sich auf
werden vernäht
werden verwebt
zu wort teppichen
werden erzählt
in beziehung
zueinander
als erinnerung
voneinander
bewohnen uns
nähren uns
versöhnen uns
mit dem jetzt
und der endlichkeit
unserer selbst
an mutter natur,
mi tierra
wie unsichtbare fäden
weben sich deine schichten
durch mein rhythmisiertes leben
ich habe vergessen zu flechten
deine haare
offen
zerzaust vom wind
wie unsichtbare fäden
legen sich deine schichten
auf die einsamkeit meines lebens
ich habe vergessen zu weinen
deine arme
offen
ohne an wärme zu verlieren
unsichtbare fäden
zerren an meinem leben
wollen über-leben
ich habe vergessen zu weben
deine wolle
wird eins mit dir
an unsichtbaren fäden
hängt mein leben
ich habe vergessen zu knüpfen
deine knoten
gehen auf
in flammen
inmitten des rauchs
folge ich den rufen
alles vergessen
du flüsterst
deine worte brennen
inmitten des rauchs
laufe ich
habe vergessen
dein glühender körper
ächzt unter meinen schritten
es lichtet sich
unter meinen schritten
ich bleibe stehen
und sehe dich an
und du versuchst zu lächeln
meine kehle, trocken
wasser tropft
tropft
auf meine haut
und in dich hinein
regen
regen mischt sich
in meinen dich suchenden blick
unter der asche
deine schichten
ich sehe deine fäden
die alles durchweben
du bist da
du bist, was ich sehe
wenn ich nicht mehr da bin
Ich kann nicht nähen.
Wenn die Naht aufreisst,
kann ich nur zusehen.
Ich werde versuchen,
sie zu schließen,
damit nicht alles auseinander fällt.
Ich kann nicht nähen.
Ich nehme Sicherheitsnadeln.
Klingt doch vernünftig,
wenn alles droht, auseinander zu fallen.
Wer braucht schon Nadel und Faden,
wenn es Sicherheitsnadeln gibt?
Kannst du nähen?
Kannst du alles so zunähen,
als ob es es nie aufgerissen wäre?
Nur du weißt dann,
dass fast alles auseinander gefallen wäre.
Kannst du nähen?
Kannst du nähen, wenn meine Naht aufgeht?
Naht.
Es naht.
Du nähst.
Wir nähen.
Wir nähern uns.
Nachts.
Es näht.
Du nähst
Du näherst dich.
Wir vernähen uns.
Nähe.
Es nachtet.
Du nährst mich.
Wir sind umnachtet.
Wir nähren uns.
Nahrung.
Es nagt.
Du nagst
an mir.
Wir nähen
uns.
Nackt.
Nachtens.
Nadel.
Nacken.
Nägel treffen Nerven.
Nähe Narben zu.
Nachts
Nage Nadeln aus deinem Nacken.
Du
Nickst mir zu.
Nährt dich meine Naivität?
Oder näherst du dich nahtlos?
Nagt da etwas?
Nähst du etwas?
Nähen, ja, das kannst du.
Nähte platzen.
Nadeln vernähen
Neues
Narben wachsen
Zu
Nähe.
rosen in meinem garten.
rost in meinem garten.
rosenduft in meinem garten.
rostest du? in meinem garten.
ein fest in meinem garten.
du hältst fest an meinem garten.
befestige rosen in meinem garten.
du verfestigst dich in meinem garten.
rosenduft haftet an meinem garten.
du verrostet in meinem garten.
verfängst dich in den dornen
der rosen in meinem garten.
rosen blühen in meinem garten.
du verblutest an den dornen
der rosen in meinem garten.
deine haut wie der rost.
du ringst um luft.
ertrinkst in den rosen
in meinem garten.
und dabei
hatte ich dich gar nicht eingeladen
in meinen garten.
ich bin.
ich bin frau
ich bin mensch
ich bin säugetier
manchmal, da bin ich vampir
wach in der nacht
wandle von hals zu hals
probiere mund um mund
manchmal, da bin ich hexe
mache feuer und ziehe kreise im wald
spreche mit bäumen und
lerne von ihnen zu atmen
ich bin.
bin frau
bin mensch
bin säugetier
manchmal, da bin ich wölfin
bewege mich im rudel
besinge den mond
ständig auf jagd
manchmal, da bin ich der mond
betrachte die menschen von oben
und kann mir doch das lachen nicht verkneifen
über ihre versuche zu begreifen
ich bin.
bin frau
bin mensch
bin säugetier
manchmal, da bin ich kind
lasse mich ablenken
von jedem noch so kleinen stein
und lasse mich sein
manchmal, da bin ich königin
königin
meines körpers
nur ich vermöge
mich mit ihm zu schmücken
denn ich bin.
bin frau
bin mensch
bin säugetier
und reich
an leben
an liebe
an lust.
in kreisen von kreisen
ich denke mein leben in kreisen
also bin ich
teil des kreises
der sich formt
wenn ich
um mich kreise
ziehe kreise
tanze kreise
verliere mich im kreisen
um andere
wo beginnt mein kreis und
wo hört er auf?
wo fange ich an und
wo höre ich auf?
wann höre ich auf?
wann höre ich auf
mich zu einzukreisen?
weil ich
vor lauter kreisen
nichts mehr sehen kann.
kreise und kreise
um mich selbst
ohne mich.
verliere mich im kreisen
um mich
begebe mich
auf eine reise
ins zentrum meiner kreise
bewege mich in kreisen
von außen
nach innen
ziehe kleine kreise
immer kleiner
bis
ich aufhöre
zu kreisen
und still-stehe
genau hier.
in der mitte.
ohne die
gibt es keinen kreis.
Wir kennen die Worte, die fehlen.
Die so tun, als wären sie nicht da.
Wir sehen sie.
Sehen ihre Konturen aufleuchten.
Können sie nicht fassen.
Können es nicht fassen,
dass sie nicht über unsere Lippen kommen.
Diese Worte wohnen in uns.
Ohne Miete zu zahlen.
Sie verlassen ihr Zimmer nicht.
Sperren sich ein und werfen den Schlüssel aus dem Fenster.
Lange und oft lassen sie sich bitten,
um wieder nicht aus ihrem Zimmer zu kommen.
Diese Worte bewohnen uns.
Manchmal ein Leben lang.
Und wenn wir ganz still sind,
können wir den Boden knarzen hören,
über den sie schleichen.
08.
mein reim dein reim rein in den reim
ich mach dir einen reim
der sich gewaschen hat
ich mach dir einen reim
auf das leben
zusammengereimt ergibt das
einen nie enden wollenden reim
denn wir denken in reimen
wir fühlen in reimen
wir schlafen in reimen
wir träumen in reimen
wir denken in reimen
wir fühlen in reimen
wir schlafen in reimen
wir träumen in reimen
mein reim dein reim rein in den reim
wenn du sagst, es soll sich reimen
meinst du dann worte in deinem ohr
die ähnlich klingen?
oder meinst du, es sollte rund sein
und bestenfalls einen sinn ergeben?
auf rollen reimen
auf rädern reimen
in rinnen reimen
von sinnen reimen
mein reim dein reim rein in den reim
reine reime rinnen rauschende rinnsale runter
kreieren eckige eidechsen eier
erwecken kreativen schlaf
und lassen träume wahr werden
„ich glaub ich hab dich gestern gesehen, oder hab ich von dir geträumt?“
mein reim dein reim rein in den reim
und als ich da so mitten in den reim spring
spritzt die tinte zu allen seiten
hinterlässt flecken
der unbefleckten empfängnis
sie sind allein die geburt meiner phantasie
phantastische reime
nahmen mich mit auf eine reise
von der ich geschwängert zurück kam
in reimen brüten
in reimen gebären
in reimen kreieren
der kreis
schließt sich
und am ende
sind wir alle rund
Können sich Haare schämen?
Ist Scham ein Ort?
Oder eine Körperstelle?
So wie Kopf, Brust oder Achsel?
Für was muss ich mich schämen?
Meine Haare
Für wen muss ich sie entfernen?
Meine Haare
Für wen kann ich mich schämen,
der sich das ausgedacht hat?
Fremdschambereich.
Die Fremdheit dieses Bereichs beschämt mich.
Unverschämt, ihn so auszuklammern.
Beschämend, dass wir uns für etwas,
das immer schon da war
schämen sollen.
Ist Scham uns angeboren,
oder wurde sie uns aufgedrückt?
Woher kommt sie?
Wer hat sie erfunden?
Und weshalb?
Ich frage dich:
Schämst du dich für deine Haare?
Die doch so charmant den Bereich bedecken,
den es zu entdecken gilt.
Beschämend,
was wir alles unterdrücken,
weil wir uns dafür schämen.
Und schämen uns fremd
für andere, die das nicht tun.
Schützt Unwissen vor Scham?
Oder schützt Scham das Wissen?
Das Wissen darüber,
dass Scham uns umklammert,
indem wir Teile von uns ausklammern.
Beklommen, ganz benommen sind wir,
denn die Scham hat uns eingenommen,
umklammert uns fest.
Wir sitzen fest.
In der Festung der Scham.
Beschämt von uns selbst.
Und das Wissen
verharrt.
Bewacht von der Scham.
Sie hält uns in Zaum.
Ich frage mich:
Ist Scham ein Raum,
den ich verlassen kann?
(alles was man sich vornimmt, wird anders als man sich‘s erhofft.)
geboren in österreich, aufgewachsen zwischen den bergen, gelebt in wien, lebendig in graz,
zu hause überall da wo es wärme gibt.
von der sonne geführt, vom wind gezeichnet, flussabwärts gelebt, flussaufwärts geschwommen, bittere zeiten probiert, die süße gefunden.
karussell gefahren, kurven gehasst, bäume umarmt, harz geschmeckt, kleben geblieben, weiter gezogen, ehrlich gewesen, freunde verloren.
hinter büsche gekotzt, krach gemacht, kaputt gelacht, die stille genossen, wellen geritten, blumen gepflückt, trost gesucht, brot geklaut, zu viel geraucht, auf teppichen geflogen, zum äquator gezogen.
mein mut verschieden, meine meinungen auch, meine augen schlecht, meine hände klein, meine sehnsüchte still, meine tänze lang, mein herz groß, mein name selten.
seltsam geträumt, endlich wieder aufgeräumt, verkehrsregeln missachtet, papierschiffe gebastelt, mit entscheidungen gehadert, blödsinn gelabert.
jukeboxen bedient, fehler gemacht, sprachlos gewesen, lauthals gesungen, mit meinem verstand gerungen, räder geschlagen, in bäume geklettert, gegen den kapitalismus gewettert.
nie hohe schuhe getragen,
meine welt – voller fragen:
bin ich durchsichtig?
sind wir allein im universum?
kann ich singen?
weiß ich zu wenig?
wird jemals alles gut?
frühling gerochen, herbst gefühlt, in taschen gewühlt, mich als langweilig befunden, mit der erde verbunden, netze verwoben, möbelstücke verschoben, über mich selbst gelacht,
theater gemacht, himbeeren gepflückt, geküsst, getanzt, versucht zu nähen, fäden gerissen –
auch der geduld.
gläser zerbrochen, nach schweiß gerochen, fische gefüttert, ein vogel gewesen, zu wenig bücher gelesen.
die lasten anderer getragen,
meine welt – voller fragen:
gibt es gespenster?
schnarche ich?
ist der himmel für alle blau?
soll ich eine rauchen?
ist alles nur ein traum?
mit hunden den mond bejault, stundenlang nach sternschnuppen geschaut, aufs dach geklettert, kirschen gegessen und kerne gespuckt, in pfützen gesprungen, auf berge gegangen, in unsicherheiten gefangen, eine biene beerdigt.
haare verloren, wörter gefunden, die liebe genossen, und sie verflucht, mit geschlossnen augen fahrrad fahren versucht,
„ich werd taxifahrerin!“ mit sechs jahren sagen,
meine welt – voller fragen:
warum ist immer alles besser, was andere essen?
hab ich zu viel zeug?
hab ich was falsches gesagt?
hab ich alles richtig gemacht?
haben die über mich gelacht?
wände gestrichen, bella ciao gesungen, das meer umarmt, vorbilder gehabt, gezögert, gewartet, busse versäumt.
gelegenheiten auch.
allein ins kino gegangen, den ball nie gefangen, herzhaft geweint, bitterlich gelacht, zu viele fotos gemacht, ein kleines erdbeben verschlafen.
den roten faden verloren – ihn wieder gefunden, versunkene straßen im meer entdeckt, blätter zwischen buchseiten versteckt, spanisch gelernt, italienisch vergessen, salate gegessen, die zunge verbrannt, über ein fußballfeld gerannt.
begeisterte wort-witz-erzählerin, meisterin der würze, liebhaberin von bärten, erzfeindin von kümmel, sammlerin von wörtern, verfechterin der liebe.
etwas unbedingt gewollt, es nicht bekommen, nichts gewollt, vieles bekommen.
an grauen tagen
meine welt – voller fragen:
was mach ich hier eigentlich?
bin ich teil des systems?
bin ich zu langsam?
ist eigentlich eh alles egal?
hört mir wer zu?